Bericht über die Ausbildung an der Blindflugschule Stargard

Bericht von R. Hengst, 3./KG 27

16.5.2009

Vom 8.3. bis 19.3.1940 wurden Uffz. Rudi Kramer und ich zu einem dreiwöchigen Lehrgang an der Blindflugschule Stargard abkommandiert. Unsere Staffel lag noch auf dem Flugplatz Handorf. Wir fuhren mit der Eisenbahn nach Stargard.

Unser Blindfluglehrer war Oberfeldwebel von Graurock, ein Pfundskerl und ein ausgezeichneter Flugzeugführer. Wir flogen nur in der Ju 52 und die Blindflüge wurden jeweils nach Bedarf der Hausbar von Ofw. von Graurock angesetzt. Königsberg für Bärenfang, Prag für Pilsner usw. Probleme gab es nur beim Danziger Goldwasser, denn in Danzig durfte man nur mit einer besonderen Genehmigung oder in Notfällen landen. Am 12.3.1940 flogen wir Danzig an. Ofw. von Graurock sagte mir: Zieh den Deckel vom Hauptverteilerkasten ab (ein etwa 4x6 cm großer viereckiger Kasten), drehe den Deckel um 180 Grad und stecke ihn wieder ein. Ich erwiderte: Dann fliegen uns sämtliche Sicherungen durch und wir haben keine Funkverbindungen mehr. Das ist ja gerade der tiefere Sinn, erwiderte von Graurock und nun mach schon! Patsch, die Sicherungen brannten durch und wir näherten uns dem Flugplatz Danzig. Über dem Platz schoss von Graurock eine rote Leuchtkugel ab, um anzuzeigen, dass wir uns in einer Notsituation befanden. Kurz darauf schoss die Flugleitung eine grüne Leuchtkugel ab und nun hatten wir Landeerlaubnis und landeten. Ein älterer Major kam angerannt und stellte sich als Flugplatzkommandant vor und verlangte Auskunft über die Ursachen dieser Landung. Ofw. von Graurock meldete, dass die elektrische Anlage ausgefallen sei und nun durften wir zum Hangar rollen, wo von Graurock einen Freund hatte, der genau Bescheid wusste. So konnten wir für einige Stunden nach Danzig in die Stadt und von Graurock bekam dabei auch sein Danziger Goldwasser. Insgesamt haben wir über 36 Stunden Blindflug in der Ju 52 geübt, Instrumentenflug ausschließlich mit ZZ-Landungen, Durchstoßverfahren, Standortbestimmungen usw.

Der letzte Flug mit von Graurock fand am 17.3.1940 statt. Start in Stargard 11.45 Uhr, Flugziel Prag-Rucyny, Landung in Prag 17.20 Uhr. Start in Prag schon 10 Minuten später um 17.30 Uhr, Flugziel zunächst Gleiwitz in Oberschlesien, Landung in Gleiwitz bei schlechter Witterung nach ZZ-Verfahren um 19.36 Uhr. So, sagte von Graurock, jetzt zieht euch die mitgenommenen Halbschuhe an, denn jetzt gehen wir ins Lufthansarestaurant wenigstens eine Stunde das Tanzbein schwingen. Wir also rein in das Tanzcafe. Gleiwitz war ein so genannter Mischflugplatz, ein Teil Lufthansa, ein Teil Luftwaffe. Ofw. von Graurock gab dann noch eine Runde Fliegerbier aus, denn es war ja unser letzter Blindflug an der Blindflugschule. Der Abflug von Gleiwitz erfolgte um ca. 20.52 Uhr. Wir flogen in ein fürchterliches Schneegestöber bei Nacht und die Tante Ju wurde schlimm gebeutelt. Piloten und Funker hatten alle Hände voll zu tun. Erst flogen wir nach Eigenpeilung, dann näherten wir uns Stargard mit qdm Peilungen, schließlich machten wir eine perfekte ZZ-Blindlandung um 1.05 Uhr am 18.3.1940. Die Erde in Stargard hatte uns wieder. Der alte Rübezahl im Riesengebirge musste wohl an diesem Tag schlechte Laune gehabt haben, weil er uns dieses miese Wetter beschert hatte. Nach der Landung sagte von Graurock: Dieser letzte Flug an der Blindflugschule sollte eigentlich eine Art Abschiedsgeschenk und Belohnung für einen guten Abschluss sein, ein netter Überlandflug, aber die schlechten Wetterverhältnisse haben diesen Flug zu einer echten Endprüfung werden lassen und damit habt ihr die Blindflugprüfung bestens bestanden.

An der Blindflugschule wurden ausschließlich in Ju 52 Flugzeugen geflogen. In diesen Kisten damals musste man sich noch mit veralteten Funkanlagen quälen, wie das FuG 3 aU von Telefunken, Peilgeräte G-5 und FuG B1 1. Man konnte auch noch die Peilgeräte Spez 173 N oder E 374 N antreffen, alles alte Klamotten, dagegen waren unsere He 111 Flugzeuge in der Staffel mit dem FuG 10 ausgerüstet.

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